Könnte Jesus nicht auch ein Mythos sein? Was kann man historisch belegt über ihn sagen? Wie sicher stimmt das, was in der Bibel steht? Auch im 21. Jahrhundert erleben wir immer wieder, dass im Fernsehen oder in Artikeln an der Person Jesu gezweifelt wird. Wird zu Recht gezweifelt? Hat es Jesus überhaupt gegeben?

Die Christen, fast ein Drittel der Menschheit, sagen „Ja“, berufen sich heute auf ihn und nennen ihn Messias, Erlöser. Einerseits also die Glaubenden, andererseits die Zweifler. Hat dieser Mensch überhaupt gelebt? Was können wir heute mit Sicherheit über ihn sagen? War er der Sohn Gottes? Oder war er nur ein gewöhnlicher Mensch mit außergewöhnlichem Auftreten und Ausstrahlung?

Fragen, die die Welt bewegen – und damit auch das YOU! Magazin. Wir haben für euch in unserem Archiv gegraben und diesen Text gefunden. 2011 haben wir nämlich schon recherchiert und Bücher gewälzt nach der Frage, was dran ist an der Person „Jesus“. Und dann haben wir zwei Priester und Mönche befragt, Pater Luc Emmerich der Johannesgemeinschaft und Dogmatikprofessor Pater Karl Wallner aus Heiligenkreuz. Lies hier das Ergebnis.

Jesus – wissenschaftlich betrachtet


Von Jesus selbst gibt es keine Tagebücher oder Schriften, die er selbst verfasst hat und die uns heute bekannt sind. Alles, was wir über ihn wissen, kann man grundsätzlich in zwei verschiedene Arten von Quellen einteilen: die christlichen, wie die vier Evangelien, und die nichtchristlichen, wie beispielsweise der römische Geschichtsschreiber Tacitus oder der jüdische Historiker Flavius Josephus. Allerdings muss man hier sagen, dass es sich dort meist um Randnotizen und keine ausführlichen Berichte handelt.

Der große Unterschied bei den Quellen besteht darin, dass wir aus den Evangelien eine große Fülle an „lebendigen“ Informationen zu diesem Jesus bekommen. So waren die Evangelien nie dafür gedacht, ein Geschichtsbuch zu sein, und dennoch finden wir viele geschichtliche Angaben, die mit den anderen Quellen und den archäologischen Funden im Heiligen Land übereinstimmen. Viel mehr erfahren wir aber über Jesus als Mensch, als Person, dass er Emotionen hatte, Trauer, Liebe, er war auch müde und hungrig. Wir erfahren über sein Herz, wenn wir über seine Handlungen und Worte lesen.

All das finden wir bei den Geschichtsschreibern der Zeit so nicht. Sie belegen nur, dass dieser Jesus eine Art Wanderprediger war, der eine große Menge Juden um sich versammelte und der schließlich zum Tod verurteilt wurde. Der Gruppe um Jesus schenkt man wenig öffentliche Aufmerksamkeit, da man ihn und seine Jünger als Sekte bezeichnete. Aber wir erfahren, dass sich diese „Christengruppe“ nicht unterkriegen ließ und immer wieder ins Kreuzfeuer der Römer kam. Da dann die Gruppe innerhalb knapp eines Jahrhunderts relativ stark wurde und sich ausbreitete, können wir später vermehrt auf Informationen über Jesus zurückgreifen, die rückwirkend verfasst wurden.

Wenige Jahre nach Jesu Tod bekehrt sich der Christenverfolger Paulus bei Damaskus zum Christentum. Er kannte zwar Jesus selbst nicht, aber die meisten Jünger und Menschen, die Jesu Wirken gesehen hatten. Daher schreibt er in seinen Briefen zwar nicht direkt über Jesu Leben, legt aber ein ganzes klares Zeugnis für den Glauben an Jesus Christus ab. Seine Briefe wurden dann Teil der Heiligen Schrift, der Bibel. Doch wie kann man davon ausgehen, dass diese Texte echt sind, und nicht im Laufe der Geschichte verändert wurden?

Es gibt eine Methode, die Echtheit antiker Schriftstücke unter Beweis zu stellen. Das System dabei ist eigentlich einfach: Man schaut, wie viele antike Abschriften es heute noch gibt und in welchem Abstand diese verfasst wurden. Je mehr Abschriften es gibt und je kürzer der Zeitabstand desto mehr verhärtet sich der „Echtheitsfaktor“.

Wenden wir diese Methode auf antike Texte an, so finden wir bei Cäsars Schrift „Gallischer Krieg“ bis heute 10 Abschriften, entstanden innerhalb von rund 850 Jahren. Der bekannte römische Geschichtsschreiber Livius mit seiner „Römischen Geschichte“ hat 8 gezählte Abschriften, entstanden innerhalb von 900 Jahren. Und das reicht den Wissenschaftlern, davon auszugehen, dass diese Texte wirklich original so verfasst worden sind.
Und wie viele alte Abschriften sind von der Bibel gefunden worden? Das Neue Testament hat mehr als 5000 griechische, 10.000 lateinische und über 9000 andere Handschriften – entstanden innerhalb von 350 Jahren. Und das bedeutet, dass die Echtheit der Bibeltexte heute wissenschaftlich nicht mehr angezweifelt wird.

Diese Erkenntnisse werfen ein erstaunliches Bild auf den Menschen Jesus. Seine Existenz scheint nicht in Frage zu stellen sein, denn über viele bekannte Gestalten aus dieser Zeit haben wir wesentlich weniger Material zur Verfügung. Außerdem stellen sich selbst jüdische Schriftsteller dieser Zeit, die alles andere als Freunde der „Christensekte“ waren, die Frage, ob Jesus aufgrund seiner Worte und Werke nicht doch der Messias hätte sein können. Diese Bemerkungen sind heute die wohl brauchbarsten Beweise. Denn: Wer würde kritischer mit einem Menschen umgehen als seine Gegner? Und eben diese Gegner beschreiben Jesus als Menschen, der „unglaubliche Taten“ vollbrachte, und als „Lehrer der Menschen“ auftrat (Jüdische Altertümer XVIII.3.3, Josephus Flavius).

Jesus – gläubig betrachtet

Für den gläubigen Menschen geht es trotz allem um weit mehr als um Wissenschaft. Es ist nur auch einmal wichtig zu wissen, dass die Geschichte mit Jesus nicht ein erfundener Mythos ist, nein, es gibt hier echte Fakten. Und doch wird man durch diese Fakten noch kein gläubiger Mensch. Gläubig wird man erst durch die Begegnung mit dieser Person Jesus. Aber wie soll man sich das vorstellen, eine Begegnung mit einer Person, einem Gott, der irgendwie unsichtbar und im Himmel ist…?

Wer ist dieser Jesus also nun für einen gläubigen Menschen? Jesus Christus ist zugleich der Mensch, der vor 2000 Jahren gelebt hat, als auch der unendliche Gott, der ewige Sohn des Vaters, der vor aller Zeit schon war. Und er ist dieser Gott, der für uns ganz klein geworden ist, damit wir uns nicht vor ihm fürchten müssen und damit wir ihm von ganzem Herzen antworten können. Wir wissen, dass dieser Jesus in Jerusalem am Kreuz gestorben ist, und wir glauben, dass er durch seinen Tod und seine Auferstehung uns erlöst hat.

Was heißt das aber, „erlöst“? Es ist genauso, wie wenn jemand, der ein leeres und sinnloses Leben führt, sich plötzlich verliebt: Alles hat dann eine Bedeutung, das Leben fängt erst richtig an, es lohnt sich, in der Früh aufzustehen. Auf der anderen Seite kennen wir das Gefühl, sich schlecht zu fühlen, entweder weil man keinen Sinn findet oder weil man bewusst oder unbewusst Schuld verspürt. Als Christen wissen wir, dass wir uns nicht selbst erlösen müssen – etwa durch Meditation, durch Kult, durch Askese – sondern indem wir Jesus in unser Herz lassen. Das können wir erfahren.

Für Außenstehende bleibt Jesus oft nur ein Religions-Stifter. Doch der Unterschied zu allen anderen Religionsgründern ist, dass diese seine Religion darin besteht, eine persönliche Beziehung mit ihm zu leben. Es geht um die Liebe. Aber wie lieben wir Jesus, der Gott ist, der unsichtbar ist…?
Jesus ist zwar unsichtbar, aber er ist real. Alles wirklich Wichtige ist ja unsichtbar: zum Beispiel das Vertrauen, die Dankbarkeit, die Freude, die Liebe… Jesus hat uns seine Liebe gezeigt, indem er sie in die Geschichte hinein konkretisiert hat: „Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde.“ Wenn wir Jesus zurücklieben, dann trifft unsere Liebe nicht auf ein Phantasiegebilde, sondern auf eine reale Person, auf einen wirklichen Freund. Mit Jesus kann man auch reden wie mit einem Freund. Etwa nach der heiligen Kommunion, oder bei der Anbetung, oder im Lobpreis, oder auch nachdem man einen Abschnitt aus den Evangelien gelesen hat… Es ist nicht verrückt, mit Jesus zu sprechen, wie wenn er real anwesend wäre, denn er IST real anwesend. Jeder kann das erfahren, dass Jesus da ist, dass Jesus reagiert, dass Jesus handelt, wenn er sich auf eine geistige Du-Beziehung mit ihm einlässt.

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