Über 1 Million monatliche Hörer auf Spotify. Die 24-jährige Kärntnerin aus Spittal an der Drau wohnt heute in Berlin und ist angekommen, wo sie immer hinwollte: auf die ganz große Bühne. Wir haben mit ihr über ihren Weg dorthin, ihre Songs und ihren Glauben gesprochen.

Interview Michi Cech

Du kommst aus Kärnten, aus einer nicht ganz so großen Stadt. Wie kommt man von da auf die große Bühne nach Berlin?

Esther Graf: Boah, ich würde sagen, es war ein Step by Step. Ich war in der Musikschule, hab Klavier gespielt. Meine Mama hat Musicals geschrieben, unter anderem mit christlichem Background wie Mose oder Josef und Maria, und so bin ich sozusagen auf der Bühne aufgewachsen. Ein wichtiger Schritt war dann, dass ich ins BORG in Badhofgastein [Schule mit Musikschwerpunkt, Anm.] kam, wo ich ein musikalisches Umfeld hatte. Dort hab ich angefangen, meine eigenen Songs zu schreiben. Es ergaben sich Kontakte und ich wurde tatsächlich zu einer ersten Studio Session nach Berlin eingeladen. Das war vor 4 oder 5 Jahren. Da bin ich dann in diese Welt eingetaucht.

Du bist ja dann auch nach Berlin gezogen. War da nicht gleich Corona?

Esther Graf: Ja, so ziemlich (lacht). Für mich hat sich das aber trotzdem absolut ausgezahlt. Ich konnte relativ viel ins Studio gehen und ich hab versucht, einfach viel zu schreiben und zu releasen. Da ich es noch gar nicht anders kannte, hatte ich während Corona nicht so das Low gespürt wie vielleicht andere Musiker. Ich hatte ja erst diesen Sommer zum ersten Mal einen richtigen Festivalsommer mit Live-Konzerten.

Und wie war das so für dich? Dein erster Festivalsommer…?

Esther Graf: Das war einfach überkrass. Ich hab ganz viel Support gespielt. Da geht man auf die Bühne und die Leute kennen dich eigentlich nicht und so musst du sie erst gewinnen. Es hat auf jeden Fall übertrieben Bock gemacht.

Jetzt kommt deine eigene Tour…

Esther Graf: Ja, ich spiel meine erste eigene Tour ab April mit neun Städten und ich freu mich schon darauf. Ich spiel auch in Wien und Salzburg.

Du hast 2022 eine EP veröffentlicht unter dem Titel „Red Flag“. Ich hab mir die sechs Songs angehört und mir gedacht, da war ja jemand richtig übel mit dir. Es geht fast immer um einen Typen, mit dem man besser nicht zusammen sein sollte… Trotzdem glaubst du immer noch an die Liebe, wie du in deiner neuen Single „Into it“ singst. Denkst du, ist es heute schwieriger, einen Typen zu finden, der einen nicht nur benutzt?

Esther Graf: Hmmmm (lacht). Bei „Red Flags“ hatte ich tatsächlich eine harte Trennung durchgemacht. Also, absolut autobiografisch. Es geht darum: Was bin ich mir selbst wert und wie will ich da wieder zurück? Mit allen Phasen der Trauer. Die einen Songs sind wütend, die anderen traurig. Ich glaub aber, dass man auch nach solchen Erfahrungen immer noch an die Liebe glauben kann und der Richtige trotzdem wo da draußen sein kann oder da draußen ist. Ich glaub schon, dass es heute irgendwie schwer ist, den Richtigen zu finden. Aber das war es ja immer. Weißt du, es gibt ja nicht viele „Richtige“…

Glaubst du an „den Richtigen“?

Esther Graf: Ja, absolut! Das war es damals auch: Zu glauben, dass da irgendwo mehr für mich bestimmt ist, als ich da gerade durchmach. Vielleicht müssen wir wieder mehr darauf schauen, was wirklich gut für einen ist. Mein Rat wäre, mehr auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Zu fragen, was ist richtig für mich? Diese innere Stimme hat eigentlich jeder, nur haben wir vielleicht vergessen, wo die ist.

Ein anderer Song von dir ist „Geldautomat“ und wenn ich mich nicht täusche, ist der inhaltlich ähnlich zu deinem aktuellen Song „Sad = Sexy“?

Esther Graf: Richtig!

Du singst: „Bin lost im Moment, noch immer kein’n Plan. Fühl mich so leer, wie der Geldautomat. Kann mir jemand sagen, wie es geht, wie man dieses Leben richtig lebt.“ Und in „Sad = Sexy“ geht’s darum, dass wir alle ein Ideal vom Leben im Kopf haben, aber es eigentlich nicht so funktioniert. Siehst du die Generation Z so, dass man oft wenig Plan hat?

Esther Graf: Ich find’s auch lustig, dass es eigentlich so zwei unterschiedliche Songs sind, die aber im Kern krasse Parallelen haben. Es stimmt voll. Diese Generation ist so geprägt durch Social Media. Jeder kann Star sein und jeder möchte der Main-Character sein. Was ich auch verstehe, denn bei mir ist es ja auch so. Aber dieses Selbstverwirklichungsthema erzeugt halt auch einen krassen Druck, dem man oft nicht standhalten kann. Ständig muss man sich mit der Frage auseinandersetzen: Wer bin ich und wie soll ich sein?

Ich glaub, das kommt gut durch in diesen beiden Songs. Durch Social Media sieht man so viele Möglichkeiten. Aber dann kommt die Frage, wie soll ich das Leben jetzt wirklich leben?

Esther Graf: Ich merke, wie krass das einen beeinflusst. In gewissem Maß ist dieses Selbstoptimierungsding super, so die beste Version aus sich selbst zu machen. Aber wenn du es nicht mehr für dich selbst machst, dann kommt für mich ein Limit. Irgendwo beneide ich Menschen, die mit sich zufrieden sein können.

Ein anderer, schon etwas älterer Song ist „Wasted“. Hier singst du: Ich vertrau in Gott! Ist das ein Hinweis darauf, dass du gläubig aufgewachsen bist?

Esther Graf: Das ist etwas, was mich mein ganzes Leben lang schon begleitet. Ich bin sehr glücklich, dass ich mit dem Glauben aufwachsen durfte. Das ist auch jetzt noch meine absolute Grundlage für meinen Alltag. Das größte Thema, das ich mit dem Glauben in Verbindung bringe, ist Dankbarkeit. Für mich ist das in diesem Job echt wichtig, weil man oft nur darauf fokussiert ist, was der nächste Schritt ist. Es ist wichtig, diesen Stopp einzulegen und dankbar zu sein für das, was man jetzt hat.

Wie ist es für dich, inmitten der ganzen Musikindustrie an Gott zu glauben?

Esther Graf: Mein Glaube basiert ganz auf meiner Beziehung zu Gott. Ich geh damit ganz offen um und finde es voll spannend, was das eigentlich für ein großes Thema in der Musikindustrie ist. Und es ist krass, wie viele Musiker eine echte Nähe zu Gott haben. Ich habe es teilweise in der Schule schwieriger gefunden, weil alle „too cool for school“ sind. Hier komm ich mir als Christ nicht komisch vor. Es weiß auch irgendwie jeder.

Was würdest du gerne Gott fragen, wenn er jetzt so vor dir stehen würde?

Esther Graf: Boah, das ist ne gute Frage. Ich red ja jeden Tag mit ihm (lacht). Ich find es total spannend, wie unterschiedlich Leute ihren Glauben ausleben. Und mich würde es interessieren, ob es auch in den Augen Gottes einen Unterschied macht. Gibt es für ihn eine richtige Form, wie man es macht? Es steht oft, dass wir nicht urteilen sollen, aber man macht es halt leider ganz oft.