Hallo! Ich war 20 Jahre alt, als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr. Als meine Frauenärztin mir diese Nachricht entgegen brachte, hat es in meinem Kopf angefangen zu rauschen. Ich habe keinen mehr wahrgenommen und konnte gar nichts mehr denken. Ich hatte plötzlich gar keine Gefühle mehr. Ich habe mich weder gefreut, noch war ich traurig. Ich fühlte einfach nichts.

Ich habe damals noch zu Hause gewohnt. Meine Mutter war die erste, der ich von meiner Schwangerschaft erzählte. Doch auch sie wusste nicht so recht, wie sie darauf reagieren soll. Dann erzählte ich es meinem Freund, mit dem ich zu dem Zeitpunkt knapp zwei Jahre zusammen war. Für ihn stand fest: Kind abtreiben!

Ich wusste gar nichts! Innerlich hatte ich das Gefühl „Nein, es geht nicht, ich kann das Kind nicht bekommen“. Ich hatte Pläne! Ich wollte in ein paar Monaten in eine andere Stadt ziehen, wollte dort studieren. Ich wollte reisen, wollte feiern gehen und meine Unabhängigkeit noch ein paar Jahre genießen. Wollte die Welt entdecken und träumte davon, in 10 Jahren eine glückliche Familie zu haben.

“Ich habe mich gefragt, wie es wohl aussehen wird.”

Auf der anderen Seite habe ich an das Kind in meinem Bauch gedacht. Wie es in mir heranwächst. Ich habe mich gefragt, wie es wohl aussehen wird. Ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Ich habe mich gefragt, ob ich eine Abtreibung verkraften könnte. Ob ich damit ein Leben lang leben könnte. Ich wusste, ich musste eine Entscheidung treffen.

Mein Freund, die Eltern meines Freundes, alle drängten mich, das Kind abzutreiben. Meine Familie hielt sich raus, sie meinten, das sei ganz allein meine Entscheidung. Mein Freund sagte dann eines Tages: „Entweder du treibst das Kind ab – dann steh ich hinter dir – oder du behältst das Kind. Dann bin ich weg.“ Ich fühlte mich so hilflos, so allein gelassen.

Meine Freundinnen sind weiterhin jedes Wochenende feiern gewesen, haben getrunken und geraucht. Pläne für die nahe Zukunft gemacht, Unibewerbungen geschrieben. Ich fühlte mich plötzlich einsam und nicht mehr dazugehörig.

Doch es musste eine Entscheidung getroffen werden. Und ich entschied mich für eine Abtreibung. Mein Freund machte einen Termin in einer Abtreibungsklinik. Während ich bei allen zuständigen Behörden die notwendigen Bescheinigungen für eine Abtreibung holte, war ich depressiv. Ich spürte nichts. Wusste nicht, ob es richtig oder falsch war, was ich da gerade tat.

“Ich würde mein Kind niemals kennenlernen.”

Einen Abend vor dem geplanten Eingriff lag ich abends im Bett und dachte nach. Wenn ich morgen mein Kind abtreiben lasse, werde ich niemals mein Kind kennenlernen, ich werde niemals sehen, wie es ausgesehen hat, wie es ausgesehen hätte, ob es ein Mädchen oder ein Junge geworden wäre, wie es lacht, wie es weint, ob es meine Augen oder meinen Mund hat, was es für Fähigkeiten hat. Ob es so sportlich wie ich gewesen wäre, und so schlecht in Mathe wie ich.

Ich dachte an das Kind in mir drin. Ob es vielleicht wirklich mich als Mutter ausgesucht hat. Ob es unbedingt auf diese Welt kommen wollte. Und ich dachte daran, dass es nie das Gesicht seiner Mutter sehen wird, nie in den Armen ihrer Mutter liegen wird, nie die Sonne sehen kann, nicht barfuß über eine Wiese laufen kann, mit anderen Kindern spielen kann… Und dann war es mir so klar so, unendlich klar!

Ich rief meinen Freund an: „Ich werde mein Kind behalten.“ Ich sagte den Termin in der Abtreibungsklinik ab. Mein Freund trennte sich von mir und zog in eine andere Stadt. Die ersten Tage waren nicht leicht! Natürlich hatte ich immer noch Angst vor der Zukunft, Angst die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Ich musste meine nahe Zukunft umplanen. Ich suchte mir eine schöne kleine Wohnung und mein Studium wollte ich um mindestens ein Jahr verschieben.

“Ich freute mich auf meine Zukunft.”

Mein Bauch wurde dicker und dicker und je dicker mein Bauch wurde, desto mehr freute ich mich auf mein Kind, auf meine Zukunft. Auf ein Leben mit meinem Kind. Ich freute mich auf jeden Frauenarzt Termin, freute mich mein Kind auf dem Ultraschall zu sehen, war so stolz meinen Mutterpass in den Händen zu halten, freute mich so sehr darauf das Kinderzimmer zu gestalten, machte Bauchfotos. Ich las mit Freude Schwangerschaftsratgeber. Kaufte Babykleidung. Alles Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, dass es Dinge sind, die ich mit Freude mache!

Meine Tochter wird bald 2 Jahre alt, ich werde 23 Jahre und beginne im Oktober mein Studium. Meine Tochter geht in die Krippe. Und ist das tollste Kind der Welt. Heute muss ich sagen: Ein Kind verändert NICHT das gesamte Leben. Ein Kind bereichert das Leben! Meine Eltern lieben ihr Enkelkind über alles. Ihr Vater kommt einmal im Monat zu Besuch. Dank meiner Mutter kann ich trotzdem noch ab und zu feiern gehen, kann alleine in die Stadt und shoppen gehen oder mich mit Freunden alleine zum Kaffee in der Stadt treffen. Ich bin noch genau derselbe Mensch wie vor der Schwangerschaft. Nur dass es da nun weiteren Menschen in meinem Leben gibt. Einen Menschen, den ich über alles liebe, der mich glücklich macht, um den ich mich sorge.

Jana

Text gekürzt entnommen mit herzlichem Dank von: www.meinbaby.info  /  Foto: (c) istockphoto