Über eine Frage, die wohl jeden Menschen auf der Welt herumtreibt. Wer sind wir?

Liebes YOU!-Team!

Ich hätte ein Thema, das mich zurzeit sehr beschäftigt, wo es mich freuen würde, wenn ihr bei der nächsten Ausgabe einen kurzen Text darüber schreibt. Das Thema lautet: „Sei, wer du bist!“ Wie wird man zu dem Menschen, der man sein will?

Ich kann nicht einmal bei einer Diskussion in der Schule meine Meinung ganz klar sagen, da ich mich selbst noch nicht gut genug oder gar nicht kenne. Meine Frage ist also: „Wie kann man sich selbst finden?“ Ich fände es schön, wenn ihr dazu auch ein paar Tipps schreibt, da mich dieses Thema wirklich sehr interessiert.

Bella, 15, YOU! Leserin

YOU! Leserin Bella hat uns vor kurzem eine Frage geschickt und wir waren von dem Thema sofort begeistert und haben uns gedacht, wir greifen es gleich auf. Es geht um Identität. Wer ich bin. Ist das nicht die größte Frage, die wir auf dieser Welt haben? Wahrscheinlich lassen sich darauf viele Antworten geben. Wir haben versucht, das Ganze einmal aus einer ganz grundlegenden Sicht anzuschauen.

Text: Michi Cech, Tanja Prattes, Theresa Osterkorn

Wer wir als Menschen sind, definieren wir oft dadurch, wie und wonach andere uns definieren und einschätzen. Aber ist das wirklich, wer wir sind? Klar ist jedenfalls, ein Mensch ist viel mehr als eine einzige Charaktereigenschaft, mehr als sein Beruf, seine Hobbys und Gefühlslagen.

Was macht meine Identität aus?

Uns wird gesagt: „Du bist, was du denkst, was du machst und wie du dich verhältst.“ In gewisser Weise gehört das auch zu unserer Identität dazu. Du bist vielleicht ein begabter Pianist, isst für dein Leben gern Schnitzel oder denkst, dass „One Direction“ die beste Boy-Band der Welt war und es eine Schande ist, dass sie sich getrennt haben. All das hilft anderen Menschen, dich in eine Schublade zu stecken: „die Pianistin“, „der Schnitzelliebhaber“, „das Fangirl“… Psychologisch gesehen ist das ganz normal. Die Welt, und vor allem jeder Mensch auf ihr, ist so komplex und individuell, dass unser Gehirn diese Komplexität vereinfachen muss, um besser durchs Leben zu kommen. Etwas so Umfassendes wie eine Person auf eine oder mehrere Gruppen zu reduzieren, kann aber nie der ganzen Wahrheit entsprechen.

Was bleibt, wenn alles wegbricht?

Wie weiß man dann aber, wer man wirklich ist? Was würde denn passieren, wenn du dir auf einmal deine Hand brichst und nicht mehr so gut oder gar nicht mehr Klavier spielen kannst? Was ist, wenn du beschließt, von einem Tag auf den anderen Vegetarier zu werden? Oder dir die Musik von „One Direction“ auf einmal nicht mehr so gut gefällt wie früher? Ändert das tatsächlich, wer du bist? Dieser Gedanke kann uns bei der Frage nach unserer Identität sehr helfen. Was ist, wenn wir die Dinge einmal wegnehmen, über die wir uns so oft definieren? Es liegt nämlich eine nicht kleine Gefahr darin, wenn wir unsere Identität an Dingen festmachen, die nicht wirklich endgültig sind. Brechen diese Dinge dann einmal weg, kommt es zur Katastrophe. Wenn sich jemand zum Beispiel hauptsächlich über seine Arbeit definiert, fällt er in eine Depression, wenn er dann seinen Job verliert. Oder im Extremfall: Was macht dich aus, wenn du nach einem Unfall nur mehr im Bett liegen kannst? Du bist immer noch du. Dein „Ich“ muss also mehr sein als das, was du tust.

Du bist einzigartig

Du bist mehr als die Summe deiner Eigenschaften. Etwas macht, dass du „Du“ bist, egal, ob du noch eben erst ein Baby warst, ein Kind, ein Jugendlicher bist oder dann ein Erwachsener. Und sogar wenn sich deine Einstellungen mal komplett ändern sollten, du bleibst doch immer noch derselbe. Wenn zum Beispiel jemand drogensüchtig wird, verändert sich diese Person meist so stark innerlich wie äußerlich, dass man oft sagt, das ist nicht mehr dieselbe Person. Und doch bleibt er „er“. Umgekehrt kennen wir auch Menschen, die sich radikal wieder zum Positiven verändert haben, wo man sagt, der ist ein neuer Mensch geworden. Trotzdem ist es dieser eine, selbe Mensch mit seiner Einzigartigkeit. Haben wir einmal verstanden, dass wir einzigartig, nicht austauschbar sind, ist der wichtigste Schritt schon getan. Denn dann brauchen wir uns nicht mehr mit anderen krampfhaft vergleichen und können ohne Stress unsere eigene Meinung bilden.

Sei, wer du bist!

Wir alle spüren irgendwie, dass es wichtig ist, dass man mehr „man selbst“ wird, also der, der man wirklich ist. Es gibt da diese Geschichte vom Adler, der als Junges aus dem Nest fiel und in einem Hühnerstall landete. Dort wuchs er nun mit den Hühnern auf, spielte mit den anderen Hühnerküken, lief wie alle am Boden umher und lernte, nach den Körnern zu picken. Da er sich für ein Huhn hielt, gackerte er und flatterte immer nur höchstens einen oder anderthalb Meter in die Höhe. Wie ein anständiges Huhn. Eines Tages sah er einen prächtigen Vogel, der hoch oben am Himmel majestätisch seine Kreise zog. Bewundernd blickte der Adler nach oben. „Wer ist das?“, fragte er ein Huhn, das gerade neben ihm stand. „Das ist der Adler, der König der Vögel“, antwortete das Huhn. „Wäre es nicht herrlich, wenn wir auch so hoch am Himmel kreisen könnten?“ „Vergiss es“, sagte das Huhn. „Wir sind Hühner.“ Doch dieser Gedanke ließ den jungen Adler nicht mehr los. Irgendwie war ihm schon mal aufgefallen, dass er ziemlich große Flügel hatte. Und eines Tages breitete er sie langsam aus und mit bebendem Herzen erhob er sich in die Lüfte. Zuerst 10 Meter, dann 20 und plötzlich spürte er, wie ihn der Aufwind zu tragen begann, der Sonne entgegen.

2. Vatikanisches Konzil

„Der Mensch kann sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden.“

– 2. Vatikanischen Konzil, Gaudium et Spes (24)

Identität finden

Sei, wer du bist. Werde, wer du bist. Dieser Gedanke geht davon aus, dass unsere Identität irgendwie schon in uns da ist, und wir müssen sie nur entdecken. So wie in der Geschichte vom Adler. Ein anderer Gedanke, den viele heute vertreten, wäre dieser, dass wir unsere Identität selbst nehmen müssen. Ist Identität also schon in uns oder müssen wir sie erst irgendwie selbst bestimmen? Dieser zweite Gedanke geht auf den Philosophen René Descartes zurück. Von ihm stammt der berühmte Spruch: „Ich denke, also bin ich.“ Er meint damit, dass eher das Denken unsere Identität beeinflusst. Das stimmt aber nur zum Teil. Denn die Tatsache ist, dass man zuerst mal sein muss, bevor man überhaupt denken kann. In der Geschichte vom Adler ist es ja wirklich so, dass der Adler ein Adler ist. Unsinnig wäre es nämlich, wenn das andere Huhn nun auch denken würde, es sei ein Adler. Auch wenn es noch so überzeugt davon wäre, sich wie ein Adler zu fühlen, die Wirklichkeit wäre doch eine andere. Woran kann man nun erkennen, wer man ist? Eben an der Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit ist, dass der Adler Flügel hat, die zum Fliegen gedacht sind, und einen Schnabel hat, der zum Körner-Picken ungeeignet ist, dafür aber einen Hasen verzehren kann. Sei, wer du bist. Ein Adler wird dann seine Identität finden, wenn er sich immer mehr als „Adler“ entdeckt. Genauso wird ein Huhn sich selbst finden, wenn es immer mehr „Huhn“ wird. Und wir? Wir finden unsere Identität, wenn wir immer mehr „Mensch“ werden.

Immer mehr Mensch werden

Der Gedanke „Sei, wer du bist“ führt uns also letztlich zu der Frage, was wirklich menschlich ist. Was entspricht uns als Menschen wirklich? Wir sind eben keine Adler, wir haben keine Flügel. Wir haben aber im Gegensatz zu den Tieren einen Verstand, können uns selbst reflektieren und uns darüber Gedanken machen, wer wir sind. Wir entdecken, dass wir einen Leib haben, den es sozusagen in zweifacher Ausführung gibt, als Mann und Frau, und dass die Ergänzung dieser beiden einen neuen Menschen hervorbringen kann. Wir sind nicht dafür gemacht, wie ein Adler in die Luft zu fliegen, aber wir sehen, dass wir als Menschen für ein Füreinander gemacht sind. Das ist übrigens auch etwas, das bleibt, wenn alles andere wegbricht. Wenn du nur mehr im Rollstuhl sitzt oder dein Leben lang ans Bett gefesselt verbringen musst, lebst du trotzdem in Beziehung. Das „Füreinander“ bleibt.

Wer ich sein möchte

Wer möchte ich sein? Es ist interessant, dass wir es gut finden, der sein zu wollen, der wir schon sind. Ich habe etwas in mir und ich gehe davon aus, dass mich nur das erfüllt, wofür ich angelegt bin. Ich möchte der Mensch sein, der ich bin. Philosophisch gesehen würde man sagen, es geht darum, immer mehr zum „Sein“ zu kommen und sich nicht über das „Tun“ zu definieren. Und trotzdem ist dieses „unser Sein“ keine statische Sache. Es gibt ständig Veränderung, oder besser gesagt, ein Wachsen. Vielleicht kannst du das mit einer Pflanze vergleichen. Ein Apfelkern ist noch kein Apfelbaum, er trägt aber schon das ganze Potenzial in sich. Wird er in die Erde gepflanzt, wächst zunächst ein kleines Pflänzchen und nach vielen Jahren steht hier ein wunderschöner Apfelbaum, der saftige Früchte trägt. Auch wir entwickeln uns immer weiter und verändern uns im Laufe unseres Lebens. Und doch bleiben wir wir selbst. Der Apfelbaum wird nicht sagen, ich wäre eigentlich mehr ich selbst, wenn ich Birnen hervorbringe. Er wird am meisten zu sich selbst finden, wenn er schöne Äpfel trägt. Und doch hat es großen Einfluss, wie du diesen Baum pflegst. Jeder Gärtner weiß, wenn der Baum wächst, wie er gerade Lust hat, wird er verwildern und die Äpfel werden klein bleiben. So muss ihn der Gärtner jedes Jahr zuschneiden, er wird wilde Triebe und auch manche gute wegnehmen, damit der Baum noch mehr zu dem wird, der er ist.

Ich bin der ich bin

Es ist interessant, dass in der Bibel Gott sich nicht darüber definiert, was er tut oder welche Eigenschaften er hat, sondern einfach, dass er ist. „Wer bist du, wie ist dein Name?“ Wird Gott von Mose in der Bibel gefragt. Und Gott antwortet: „Ich bin der ICH BIN.“ Vielleicht hilft uns dieser Gedanke dabei, uns den Druck zu nehmen, uns durch bestimmte Einstellungen oder Eigenschaften definieren zu müssen. In erster Linie sind wir einfach mal da. Wir existieren, und zwar nicht aus uns selbst heraus, sondern das Leben wurde uns vielmehr geschenkt. Wir sind Kinder unserer Eltern. Und letztlich gemacht von unserem Schöpfer. Als Christen sind wir überzeugt, dass dieses „Ich“, das wir in uns zu entdecken versuchen, von Gott in uns hineingelegt worden ist, wie der Same eines Baumes. Ob wir zu dem werden, der wir sind und ob wir gute Früchte bringen, das liegt jedoch noch daran, wie wir diesen Baum zuschneiden und pflegen.

Kind eines Vaters

Identität hat immer auch etwas mit Herkunft zu tun. So ist es für Adoptivkinder meist sehr wichtig, ihre leiblichen Eltern kennenzulernen, auch wenn sie gar nichts mit ihnen zu tun haben. Oder stell dir vor, dein Vater ist Chef einer großen Milliardenfirma. Du bist einfach schon jemand, weil du einen bekannten Vater hast. Wenn du einen Raum betrittst oder auf eine Party gehst, ist dir egal, was die anderen denken, du hast einfach ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Jetzt ist dein Vater aber nicht nur ein Firmenchef, sondern du hast einen Vater, der der Schöpfer des ganzen Universums ist. Neben den Billionen an Galaxien mit Milliarden von Sternen, hat er auch an dich gedacht. Du bist, weil dein Vater im Himmel dich erdacht hat. Du hast Identität, weil du von diesem Gott gewollt und geliebt bist. Wie egal wird es da plötzlich, was die anderen über einen sagen. Und auch wenn du selbst noch nicht einmal weißt, was du denken oder welche Meinung du haben sollst. Du weißt, da ist jemand, der zu dir sagt: „Es ist gut, dass du da bist.“

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Am 26. April waren Annalena und Sonja vom YOU! Team beim Radio Maria zur “Xpect” Sendung eingeladen. Wir haben über unseren “Brenn:Punkt ‘Identität’: Wer bin ich?”, gesprochen.

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