Eine Bemerkung – und ich bin völlig enttäuscht und verletzt, obwohl er es eigentlich gar nicht so gemeint hat. Oder ich vertrete meine Meinung und andere werfen mir vor, diskriminierend zu sein. In unserer Welt, in der es mehr Kommunikation gibt als je zuvor, scheinen wir uns oft viel weniger zu verstehen. Woran liegt das aber? Mehr am Empfänger oder mehr an dem, der etwas sagt? Wie können wir Missverständnissen den Kampf ansagen?

Das 4 Ohren Modell

Dieses bekannte Modell besagt, dass es bei der Kommunikation sozusagen einen Sender und einen Empfänger gibt. Der Sender sagt etwas und der Empfänger hört. Der Empfänger allerdings kann das Gesagte auf vier verschiedenen Eben aufnehmen, er hört also sozusagen mit „4 Ohren“.

Zum Beispiel, Lena und Paul sitzen im Auto. Lena sieht, dass die Ampel grün ist und sagt: „Die Ampel ist grün.“

Das Sachohr: Wenn Paul Lena mit dem Sachohr gehört hat, dann registriert er ihre Aussage einfach als Information, dass die Ampel grün ist.

Das Selbstoffenbarungsohr: Hier hört er aus dem Satz eine Offenbarung, also eine Bekanntgabe, über Lena selbst heraus. Etwa: „Ich habe es eilig, die Ampel ist grün und du fährst nicht los.“ Oder „Es ärgert mich, dass du schon wieder während des Autofahrens schläfst!“

Das Appellohr: Hört Paul die Nachricht mit dem Appellohr, empfindet er es als Bitte oder Forderung. Also zum Beispiel: „Pass bitte besser auf, die Ampel ist schon grün.“ Oder „Fahr endlich los!“

Das Beziehungsohr: Paul kann aber auch etwas heraushören, was mit der Beziehung der beiden zu tun hat. Vielleicht ein Insiderwitz, der sich durch eine grüne Ampel entwickelt hat. Paul könnte aber auch über Lenas Aussage denken, dass sie böse ist, dass schon wieder er fährt und nicht sie, obwohl sie immer wieder behauptet, die bessere Fahrerin zu sein.

Der Negativitätseffekt

Damit ist die menschliche Tendenz gemeint, unklare oder mehrdeutige Situationen ins Negative hineinziehen. Stell dir vor, du stehst gerade am Gehsteig und jemand rempelt dich so heftig an, dass du zwei Schritte zurückstolperst. Deine erste Reaktion ist wahrscheinlich Wut und Betroffenheit darüber, was sich derjenige denn hier erlaubt. Stell dir jetzt aber vor, dass sich jener entschuldigt, er habe ein Auto gesehen, dass so knapp vorbeigefahren ist, dass es dich sicher gestreift hätte.

Oder anderes Beispiel: Du schreibst einem Freund eine Nachricht auf WhatsApp und es tauchen die berühmten blauen Häkchen auf, ohne dass er dir zurückschreibt. Die ersten Gedanken, die sich gleich breitmachen sind sicher: „Aha, er ist genervt von mir. Eh klar.“ Oder: „Ich bin sicher so unwichtig für ihn, dass er mich gleich vergessen hat.“ Am nächsten Morgen antwortet er dann und schreibt, dass er sich unbedingt Zeit nehmen wollte, um die Nachricht gut durchzulesen, und er sich in Ruhe eine Antwort überlegt hat, die dir gut weiterhelfen würde. Tatsächlich ist die zweite Version um einiges wahrscheinlicher als die erste, denn warum sollten unsere Freunde uns plötzlich verachten und deshalb sich nicht mehr melden?

Schlechtes Zuhören

So banal es klingt, oft, wenn etwas falsch verstanden wird, hat meistens irgendjemand einfach nicht richtig zugehört.

Wem ist es noch nicht passiert? Der Lehrer redet und redet und plötzlich fragt er dich etwas und du gibst ihm die Antwort, die wunderbar zur letzten Stunde gepasst hätte, aber ganz sicher nicht zu dieser. Auch im Privatleben fällt uns das Zuhören immer schwerer. Ständig sind wir abgelenkt, durch Dinge, die um uns herum passieren. In Zeiten von Instagram und TikTok, indem wir uns maximal 10 Sekunden lang gut konzentrieren können, ist das auch kein Wunder. Unsere Fähigkeit zuzuhören nimmt ab. Um dem entgegenzuwirken, probier doch mal folgende Übung: Stell einen Timer auf 10 Minuten und lass deinen Gesprächspartner einfach mal reden, ohne ihn zu unterbrechen. Weder für Verständnisfragen noch für Kommentare. Oft neigen wir nämlich dazu, alles kommentieren zu wollen und sofort unsere eigenen Erfahrungen einzubringen, um unseren Freunden zu helfen. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes, aber heb dir diese Dinge bis zum Schluss auf. Mit dieser Übung hört man seinen Freunden viel intensiver zu als sonst und zeigt damit seine Wertschätzung.

Nonverbale Kommunikation

Wie kann es sein, dass ich kommuniziere, auch wenn ich eigentlich gar nichts sage? Nonverbale Kommunikation ist mittlerweile vielen ein Begriff. Doch was ist damit gemeint? Mimik und Gestik sprechen oft eine klarere Sprache als Worte, aber ich finde, es geht auch immer stark um die Haltung. Wenn ich schon passiv-aggressiv, gestresst oder abwertend in eine Begegnung gehe, kommuniziere ich das schon und brauche mich nicht wundern, wenn ich keine netten Worte zurückbekomme. Und einfach nichts sagen, wenn neben mir fragwürdige Themen diskutiert werden, bedeutet, dass ich dem eigentlich stillschweigend zustimme.

Ein anderer Aspekt ist auch, was ich mit meinem Körper, meiner Kleidung und meinem Verhalten ausstrahle. Ich möchte gar nicht auf die Frage „richtig – falsch“ eingehen, aber es ist eine Tatsache, dass wir unserem Outfit und Verhalten eine Botschaft senden, die andere aufnehmen bzw. auch umgekehrt. Es ist sicher gut, sich auf beiden Seiten bewusst zu machen, was ich an andere kommunizieren will, und zu reflektieren, wie ich die Kommunikation von andern aufnehme.

Die Fähigkeit, ohne Worte zu reden, ist extrem schön, verbindet uns auch über verschiedene Sprachen hinweg und ermöglicht es uns, auf einer viel tieferen Ebene zu kommunizieren als nur allein mit Worten. Aber es ist auch eine große Verantwortung, da wir sozusagen durchgehend kommunizieren und damit aber auch ständig die Entscheidung haben, ob wir Negatives oder Positives verbreiten.

Darum wäre mein Tipp, einmal über die eigene nonverbale Kommunikation zu reflektieren, einerseits wie und was man selbst kommuniziert und andererseits wie und was man aufnimmt. Und Unklarheiten oder Probleme einfach mal direkt anzusprechen. Oft klärt sich dann einiges fast von selbst.

Meinungsfreiheit

Ich will gleich mal die Frage stellen, die ich mir wahrscheinlich viel zu selten stelle: „What would Jesus do?“ Keine Frage, er zeigte vor allem Milde, Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Dennoch: Seine Botschaft war nie: „Sei nice zu allen und sage ja nichts, was jemandem nicht passen könnte.“ Wir sind nicht berufen, bloß nette Kerle zu sein, die alle anderen darin bestätigen, was sie hören wollen (auch in ihrem Lügen). Das bedeutet im Letzten Sklaverei der Meinung anderer. Jesu Botschaft ist: „Die Wahrheit wird euch frei machen!“ Und für diese Wahrheit ist er auch eingestanden. Radikal, ohne Rücksicht auf Verluste. Bis zum Tod am Kreuz. Jesus war garantiert kein „nice Guy“. Er nannte die Pharisäer, also die Theologen seiner Zeit, Heuchler und Schlangenbrut! Er vertrieb Händler mit einer Peitsche aus dem Tempel, schmiss ihre Tische um und sagte, sie hätten diesen Ort zu einer Räuberhöhle gemacht.

Nicht sehr nice. Wie geht das mit der Botschaft der Nächstenliebe zusammen? Es ist eigentlich ganz einfach, zwei Punkte: Erstens hat die Wahrheit einfach Vorrang – auch wenn sie anderen überhaupt nicht in den Kram passt. Und zweitens tut die Wahrheit oft ziemlich weh; das kennt wahrscheinlich jeder. Auch wenn es Gefühle verletzen könnte: Es ist unsere Verantwortung, andere Menschen auf die Lügen in ihren Leben aufmerksam zu machen. Sie manchmal auch so leidenschaftlich wachzurütteln wie Jesus – während wir gleichzeitig wie er wohlwollend und geduldig sind.

Auch heute wird oft diskutiert, ob man über gewisse Sachen schweigen muss und ob man gewisse Meinungen öffentlich verbieten darf, weil sie andere verletzen könnten. Stichwort Political Correctness. Hat das „Recht, nicht beleidigt zu werden“ Vorrang vor der freien Meinungsäußerung? Die Antwort muss doch ein klares Nein sein. Meinungsfreiheit ist die Grundlage jeder Demokratie und der Todfeind jedes Diktators. Um zu diskutieren und der Wahrheit nachgehen zu können, muss man Beleidigungen riskieren, so kanadische Psychologe Jordan Peterson.

Bei tiefgehenden und kontroversen Themen ist es wahrscheinlich unvermeidlich, jemanden persönlich zu kränken. „What would Jesus do?“ Wir müssen uns aber immer fragen, was hinter meinen Äußerungen steht: ein Hass oder wirklich die Suche nach der Wahrheit. Ein Kennzeichen zur Unterscheidung: Bleiben wir auf der Sachebene oder beleidigen wir absichtlich, weil wir keine Argumente haben? Und auch eine Sache kann dabei helfen: Alles, was wir sagen, muss wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, müssen wir sagen.

Alltagskommunikation

Sagen zu können, was man ehrlich denkt, ohne dass gleich ein Streit ausbricht, ist das A und O einer guten Freundschaft. Dass genau aber das oft zu Reibereien oder bösen Blicken führen kann, ist uns allen wahrscheinlich nicht unbekannt. Kommunikation sollte darauf ausgerichtet sein, dass beide Parteien mit bester Intention die Wahrheit sprechen, nicht um den anderen runterzumachen, sondern um ihm weiterzuhelfen.

Stell dir folgendes Szenario vor: Eine Frau geht mit einem Mann einkaufen – könnte ihr Papa, Bruder, Mann oder ein Freund sein. Sie probiert ein Kleid an, das ihr gefällt, und fragt ihn, was er davon hält. Mit einem schweifenden Blick sagt er: „Passt gut!“ Das frustriert sie, weil sie denkt, dass es ihm nicht gefällt. Was er eigentlich aber sagen wollte ist, dass es ihr gut passt.

Kommt dir das bekannt vor? Mir schon. Ich glaube, dass vor allem wir Frauen manchmal dazu tendieren, Sachen zu hören, die gar nicht gesagt wurden. Dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass es verschiedene Arten der Kommunikation gibt – vor allem bei Mann und Frau. Ihr beste Freundin hätte wahrscheinlich so reagiert: „OMG, du musst das unbedingt kaufen! Es steht dir MEGA!“ Man sollte sich also bewusst werden, dass nicht jeder so reagiert, wie man selbst oder wie man es erwartet.

Bevor man nach der Meinung der anderen fragt, könnte man sich folgende Frage stellen: „Bin ich wirklich offen, die ehrliche Meinung des anderen zu hören? Oder habe ich die einzig perfekte Antwort schon im Kopf und bin unzufrieden, wenn irgendetwas anderes kommt?“ Ein weiterer Punkt, der einer funktionierenden Kommunikation oft im Weg steht, ist, dass wir Kommentare persönlich nehmen, die überhaupt nicht persönlich gemeint waren. Und auch wenn Kommentare kommen, die persönlich gemeint sind, würde ich zwei Arten unterscheiden: Kommentare, die einem helfen zu wachsen, sollte man ernst nehmen. Bei den anderen darf man auch die Ohren auf Durchzug stellen und nicht immer alles todernst nehmen.

Kommunikation mit Gott

Es ist bald Weihnachten. Und ich muss daran denken, dass unser Glaube genau darauf beruht, dass Gott spricht. „Das Wort wurde Fleisch“, so werden wir in der Weihnachtsmesse hören. Und in diesem Abschnitt der Bibel heißt es weiter: „Aber sie nahmen ihn nicht auf.“ Das ist vielleicht die große Tragik unserer Welt, dass Gott zu uns spricht, und wir verstehen ihn nicht. Liegt es an ihm? Oder vielleicht doch an uns?

Das Unglaubliche am Christentum ist, dass Gott Kommunikation ist. Schon am Beginn der Bibel heißt es: „Gott sprach – und es wurde…“ Und dieses Sprechen Gottes, sein Wort, „wurde Fleisch“. Das feiern wir zu Weihnachten. Im griechischen Originaltext steht hier für „Wort“ der Begriff „Logos“. Davon leitet sich unser Wort Logik ab. Wenn Gott spricht, sind nicht nur seine Worte „logisch“, vielmehr bekommt alles durch ihn einen Sinn.

Darum bemühen wir uns als Christen zu verstehen, was er eigentlich meint, wenn er zu uns spricht, zum Beispiel durch die Schöpfung oder durch die hl. Schrift. Und wie hören wir ihn? Nur mit dem Sach-Ohr? Oder vielleicht dem Appell-Ohr? Ich glaube, dass wir Gott nur verstehen können, wenn wir ihn mit dem Beziehungs-Ohr hören. Eben, weil er Liebe ist. Und übrigens: Er hört uns auch immer mit dem Beziehungs-Ohr, egal was oder wie wir es formulieren. Für ihn ist ja auch alles, was wir ihm sagen, immer ein „Insider“.

5 Tipps, um Missverständnissen den Kampf anzusagen

1. agree to disagree:

Manchmal, wenn man sich absolut auf keinen gemeinsamen Nenner einigen kann, ist es in Ordnung, einfach damit abzuschließen und zu sagen: Weißt du was, ich verstehe deine Meinung nicht, aber ich respektiere sie. Wir sind eben alle verscheiden.

2. gut zuhören

Jemandem gut zuzuhören, gehört definitiv zu den Dingen, die wir in unsrer modernen Welt nach und nach verlernen. Nimm dir also Zeit, deinem Gegenüber echt zuzuhören, und ihm deine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.

3. nachfragen

Wer nicht fragt, bleibt dumm. Oder missverstanden. Einfach nachfragen! Da ist nichts peinlich, im Gegenteil. Nachzufragen gibt deinen Gesprächspartnern ein Gefühl der Wertschätzung und des Respekts.

4. Ohren-Check

Sich überlegen, mit welchem Ohr der Empfänger das Gesagte gehört haben könnte oder der Sender es gemeint haben könnte. Klar ausdrücken, was man meint, bzw. nachfragen, ob das Gesagte auch so gemeint war, wie es verstanden wurde.

5. die andere Brille aufsetzen

Sei dir bewusst, dass du alles Gesagte immer durch deine eigene „Brille“ wahrnimmst. Wenn Missverständnisse entstehen, versuche auch mal die „Brille“ (Perspektive, Gefühle, Hintergrund) deines Gesprächspartners aufzusetzen.