Mit Songs wie ID, Beautiful Madness oder Throwback hat sich Michael Patrick Kelly die Musikbühne nach langer Pause wieder zurückerobert. Jetzt erscheint sein neues Album „B.O.A.T.S.“ Was hinter seinen neuen Songs steckt, darüber haben wir mit ihm im YOU! Interview gesprochen.

Interview: Michi Cech

Unser letztes Interview haben wir im vergangenen Jahr mitten im Lockdown geführt. Wie geht’s dir gerade und wie ist es zum neuen Album gekommen?

Michael Patrick Kelly: Mir geht’s gut. Ich habe die letzten drei Jahre eine halbe Weltreise gemacht. Ich war in Kenia, in Kalifornien, auf Grönland oder in Spanien, um Songs zu schreiben. Es sind insgesamt 60 geworden und daraus habe ich 15 für das neue Album gepickt. „B.O.A.T.S.“ steht für „based on a true story“, also alle Songs basieren auf wahren Geschichten. Biografische Storys oder Geschichten von anderen, die mich inspiriert haben. Zum Beispiel Mother’s Day. Meine Mutter ist ja sehr jung gestorben, mit 36. Ein halbes Jahr später war Muttertag. Ich war 5 und ich wollte ihr zum Muttertag Blumen bringen und habe auf den Feldern welche gepflückt. Am Friedhof hatten die Nachbargräber alle tolle Blumensträuße und daneben sahen meine „wild flowers“ nicht so toll aus. Und so habe ich alle Blumen geklaut und auf das Grab meiner Mutter gelegt… Jetzt war ich vor kurzem in Spanien, wo meine Mutter begraben liegt, und habe auf jedes dieser Gräber einen Blumenstrauß gelegt. Irgendwie war mir das wichtig. Als Wiedergutmachung, sozusagen. Das hat die Leute dort sehr gerührt.

Einen Song, den ich nicht ganz verstanden habe, worum es geht, war „Fake Messiah“. Was steckt da dahinter?

Michael Patrick Kelly: Ich bin ja Christ, aber es gibt viele Sachen, die unter dem Namen von Gott passieren, die ich als nicht christlich sehe. Leider wurden Gott und die Bibel immer wieder missbraucht, um Gräueltaten zu rechtfertigen. In „Fake Messiah“ geht es einerseits um Umerziehungsschulen in Nordamerika und Kanada, wo die Native Indians komplett von ihrer Kultur entrissen wurden, wo es zusätzlich auch noch sexuelle Missbräuche gegeben hat. Das Programm von Staat und Kirche war: „Kill the indian in the child.“ Jetzt gibt es Anwälte, die sich bis heute für diese Menschen einsetzen, weil das diese Völker bis heute kaputt gemacht hat. Für mich ist der christliche Glaube aber etwas, was einen befreit und einen frei lässt! Die zweite Strophe, da geht es um die Apartheid. Ich habe jemand getroffen, dessen Vater selber beteiligt war. Nach einer Begegnung mit Nelson Mandela ist er aber völlig umgedreht, und heute geht er als Arzt in die kleinen Dörfer und versorgt die Menschen. Also, es gibt das Negative, aber dann auch wieder das Positive. Viele treten aus der Kirche aus, wenn sie von den Skandalen hören. Aber nur weil es Christen gibt, die aus meiner Sicht nicht christlich handeln, heißt das nicht, dass der christliche Glaube an sich falsch ist.

Hat das etwas mit damit zu tun, was deine „True Story“ ist, von der du im Titelsong singst?

Michael Patrick Kelly: Mit dem Titelsong „Boats“ möchte ich die Frage aufwerfen: Wie wahr bin ich selber, wie wahr sind wir überhaupt? Wie oft lügen wir? Wie wahr sind unsere Beziehungen, ist es fake oder wahr?

Kann man heute überhaupt von Wahrheit sprechen?

Michael Patrick Kelly: Ich glaub schon, dass man von objektiver Wahrheit sprechen kann. Es gibt Fakten. Aber es gibt auch subjektive Wahrheiten. Zum Beispiel, wir beide führen ein Interview. Der eine kann es schön finden, der andere überhaupt nicht. Das ist das subjektive Empfinden und es ist für mich oder für dich wahr. Fakt ist, dass wir ein Interview führen. Das ist objektiv wahr. Und ich glaube, es gibt genügend objektive Wahrheiten, die da sind. Eine Fake News verbreitet sich auf Twitter übrigens sechsmal schneller als eine wahre Nachricht. Wir leben in einer Zeit, wo wir überflutet werden von Unwahrheiten.

In deinem Song „The World“ sprichst du dann über die Liebe. Wird die Liebe auch manchmal falsch verstanden?

Michael Patrick Kelly: In diesem Lied singe ich von einer konkreten Liebe und nicht von einer abstrakten Traumvorstellung für die Welt. Gestern erst war ich bei einer Gala in Hamburg, wo Frauen für ihre Arbeit ausgezeichnet wurden. Ich durfte der 16-jährigen Nina Lindtner den Preis überreichen. Sie hat eine Bewegung gestartet, wo man als Jugendlicher mit Unheilbarkranken und auch deren Geschwister Zeit verbringen kann. Sie hat selbst erfahren, dass nämlich auch oft die Geschwister auf der Strecke bleiben in so einer Familie. Sie unternehmen etwas, um Zeit zu schenken. Das ist für mich „love“. Und das ist es, was ich meine, wenn es im Lied heißt: „What the world needs now is love.“

Leider ist uns ja meistens der Erfolg wichtiger. Das sprichst du auch in deinem Song „Earthquake“ an, oder?

Michael Patrick Kelly: Ich habe ja mit Anfang 20 schon unfassbar verrückte Sachen erlebt. Was das Reich-Sein oder das Berühmt-Sein betrifft. Als Mitglied einer Familien-Band hatten wir damals riesigen Erfolg. Ich habe bis zu 1000 Fanbriefe pro Tag bekommen, total crazy! Und ich bin zum Teil auch deshalb ins Kloster gegangen, weil ich unglücklich war. Ich habe gemerkt, dass Money und Fame etwas Schönes haben, aber in der Tiefe nicht glücklich machen. Ich war sechs Jahre lang im Kloster und hab meine Fülle, mein Glück und meinen Frieden in Gott gefunden. Und auch jetzt gibt es manchmal so „Earthquake“-Momente, wo man denkt, ich fühle mich gerade so „high“, ohne Drogen nehmen zu müssen, wie es im Lied heißt. Ich war vor ein paar Jahren in Hollywood auf einer Party eingeladen. Poolparty mit Live-Band aus Havanna. Sylvester Stallone war da, Sean Penn war da. Das war auch eine geile Party, wie ich noch nie erlebt habe. Aber ich hab meine Frau vermisst. Ich wäre eigentlich lieber bei ihr gewesen. Und ich habe Gott vermisst. Ich wär lieber in der Natur oder in einer Kirche gewesen. Das macht mich „high“. Keiner „shaked” mich so wie Gott oder meine große Liebe, meine Frau. Wenn man das weiß, dann ist das so wie ein Navi für das Leben.

Im letzten Lied „Home“ singst du vom Tod. Eigentlich handeln drei Lieder auf deinem Album vom Tod. Hast du in letzter Zeit viel übers Sterben nachgedacht?

Michael Patrick Kelly: Ja. Allein in diesem Jahr sind vier Menschen in meinem nahen Umfeld verstorben. Zwei davon auch plötzlich und unerwartet. Das hat mich schon viel zum Nachdenken gebracht. Man weiß nie, wann’s passiert. Wir hoffen alle, dass wir alt werden. Eine der größten Ängste, die wir haben, ist der Tod. Ich habe mir vorgenommen, mich lieber früher als später mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich möchte nicht ängstlich leben. Ich hab keine Angst, aber natürlich habe ich auch keinen Bock darauf zu sterben. Wir haben dieses Leben geschenkt bekommen und wir sollten das voll leben. Aber für mich ist der Tod eine Geburt in ein neues Leben. Was ich in „Home“ singe, ist das für mich kein Wunschdenken, sondern mit Gott verbunden. Also, die beste Party ist nicht hier auf Erden. Und das ist auch „based on a true story“…