Eine Reportage über den Mut von Menschen, die sich aus dem Islam zum Christentum bekehren und was wir von ihnen lernen können.

Text: Miriam Aschenbrenner

Seit einigen Jahren gibt es eine riesige Bewegung von Muslimen, die trotz starker Schwierigkeiten zum Christentum übertreten. Experten sprechen von der „großen Erweckung“ unter den Muslimen. Gerade in der Region, wo Jesus gelebt und gestorben ist – also im Nahen Osten. In den Medien hören wir nur von Terror und Flüchtlingskrisen, doch noch nie wie je zuvor haben sich so viele Menschen vom Islam dem Christentum zugewendet. Für sie bedeutet das aber einen radikalen Schritt und manchmal wörtlich den Einsatz ihres Lebens. Für uns unvorstellbar. Wir tun uns ja mit dem Glauben schon schwer, nur wenn jemand schief schaut. Oder?

Wie ist das bei uns? „Ähm.. jaaa also am Wochenende war ich in der Kirche…“ „Jaja, ich bin Christ, aber egal…“ Kennst du diese unangenehmen Momente, wenn jemand dich fragt, ob du wirklich in die Kirche gehst? Und das Zeugs glaubst, was die Katholiken behaupten? Manchmal lenken wir dann lieber schnell vom Thema ab, anstatt ein feuriges Zeugnis für Jesus zu geben. Und dabei drohen uns nicht schwere Strafen oder Konsequenzen. In anderen Ländern ist das drastisch anders. Da wird an Christen brutale Gewalt verübt oder sie verlieren ihren Job. Manche werden ermordet.

Wer in einem islamisch geprägten Land vom Islam zum Christentum konvertiert, muss teilweise mit schlimmen Folgen rechnen. Von Religionsfreiheit ist man hier oft noch weit entfernt. Menschen werden misshandelt, aus Familien ausgestoßen oder umgebracht. Das Bekenntnis zum Christentum wird zur waghalsigen Entscheidung. Und trotzdem lassen sich Hunderttausende taufen und nehmen Verfolgung auf sich, nur um Christus nachfolgen zu können.

Interessant ist die Tatsache, dass sich Berichte von Menschen häufen, die Jesus im Traum gesehen haben! Es ist ein so großes Phänomen, dass es in muslimischen Ländern sogar schon „Werbungen“ gab, man soll nicht auf „den Mann in Weiß“ hören. Gemeint ist damit Jesus im Traum. Manchmal sagt er ihnen etwas, was sie unmöglich wissen konnten. Oder er zeigt ihnen Personen, die sie treffen sollen. Viele Muslime sind aber auch einfach beeindruckt von der Bibel oder von der Art und Weise, wie Christen leben. Oder sie sind mit dem radikalen Islam nicht einverstanden und beginnen, sich über das Christentum im Internet zu informieren.

Wir wollten nun mehr über diese Bewegung oder Erweckung unter den Muslimen wissen und haben ein paar Augenzeugen befragt. Wie haben sie als Christen in einem muslimischen Land gelebt und überlebt, oder warum haben sie sich bewusst dafür entschieden, sich taufen zu lassen?

Youssif, Irak

Möchtest du dich unseren Lesern kurz vorstellen?

Ich heiße Youssif, und komme aus dem Irak. Als ich 18 Jahre alt war, bin ich nach Österreich gekommen, hab Deutsch gelernt, meine Matura anerkennen lassen und die Uni begonnen. Jetzt studiere ich Meteorologie an der Uni Wien. In meiner Freizeit bin ich Ministrant, das habe ich auch schon im Irak gemacht. Außerdem dolmetsche ich bei der Erzdiözese Wien für die Menschen aus dem arabischen Sprachraum, die Christen werden wollen.

Wie hast du es erlebt, als Christ in einem muslimischen Land zu leben?

Ich war im Irak bis ich 18 Jahre alt geworden bin. Als Kind hat man ein anderes Gefühl für die Islamisierung als als Erwachsener. In der Schule habe ich die Christenfeindlichkeit erst gar nicht so stark wahrgenommen. Für meine Eltern war das schon schlimmer. Sie wurden öfter bedroht und beschimpft, nur aus dem Grund, weil sie Christen sind. Als ich älter geworden bin, hat sich auch die Situation für die Christen verschlechtert. Ich habe einen inneren Konflikt in mir gespürt, weil ich ja Iraker bin und trotzdem in meinem Land nicht in Frieden leben kann. In größeren Städten wie zum Beispiel Mossul, ist die Christenfeindlichkeit allerdings noch stärker zu spüren, als es bei uns auf dem Land war.

Hast du im Irak mal mit Muslimen über deinen Glauben als Christ reden können?

Für mich als Christ ist meine Religion die Wahrheit, genauso ist es aber auch für die Muslime. Man sollte nicht viel darüber reden oder diskutieren, da kommst du in Verwirrung. Außerdem bringst du dich dadurch in eine ungute Situation. Es war schwierig, aber trotzdem gab es immer wieder ein paar Freunde in meiner Schule, die neugierig waren und ein paar Fragen gestellt haben: Was macht ihr zu Weihnachten? Fastet ihr?

Konntest du im Irak ein Kreuz in der Öffentlichkeit tragen, als Zeichen, dass du Christ bist?

Du kannst es schon machen, aber ich würde da eher eine negative Reaktion erwarten. Wir haben als Christen im Irak schon alle ein Kreuz getragen, aber ganz dezent unter der Kleidung. Etwas so offensichtlich zu zeigen, wird unangenehm sein. Alle Menschen um dich herum sind Muslime. Du fühlst dich, als ob du nicht dazugehörst, etwas ist anders, seltsam. Man wird über dich reden, Kommentare abgeben, in strengeren Zeiten kann es auch zu Mord oder Entführung kommen. Es ist nicht leicht.

Hast du es mal erlebt, dass ein Muslim sich in deinem Umfeld zum Christentum bekannt hat?

Ich dolmetsche für die Erzdiözese Wien die Katechesen für die Menschen, die aus dem arabischen Raum kommen und sich zum Christentum bekennen, beziehungsweise die katholisch werden wollen. Da gibt es immer wieder sehr spannende Fälle dabei. Die meisten von ihnen sind Muslime, die alle ihren einzigartigen Weg haben, wie sie zu Jesus gekommen sind. Einige haben Träume von Jesus gehabt. Fast alle sagen, dass sie einen tiefen Frieden verspüren. Natürlich muss man da auch erst einmal aufpassen. Es ist sehr einfach, zu sagen: „Ich habe von Jesus geträumt.“ Da wird man erst einmal skeptisch: Worum ging es, was war der spannende Teil im Traum. Und dann finde ich es spannend, dass es tatsächlich Leute gibt, denen ein Traum so viel Gewissheit gibt und ein so großes Verlangen danach, Christ zu werden und die Sakramente zu empfangen, zum Beispiel, die Heilige Messe mitzufeiern.

Was können wir europäische Christen von euch orientalischen Christen lernen?

Also erstens wünsche ich wirklich niemandem, dass er in Verfolgung leben muss. So etwas ist unglaublich schwer und hart. Aber es hat uns auch einiges gelehrt. Zum Beispiel, dass es wichtig ist, unsere gute Nachricht von Jesus zu verbreiten. Die Muslime sind sehr gut darin, ihre Nachricht zu verkünden. Wir dürfen da nicht schwach sein. Im Grunde sind wir alle Missionare. Ich versuche mit meinem Leben Jesus zu verkünden, da wo ich bin, als Ministrant, bei meinem Job als Dolmetscher und auf der Uni.

YOU! Abo

Mohammed, Iran

Mein Name ist Mohammed (Name geändert) und ich komme aus dem Iran. Ich bin dort in einer muslimischen Familie aufgewachsen, allerdings haben weder meine Eltern noch ich den Islam wirklich praktiziert. Man ist muslimisch, weil es wichtig ist, um in der Gesellschaft eine bessere Position zu haben. Ich war einmal ein paar Monate Reiseführer in Georgien. Dort hat mir jemand ein Buch in die Hand gedrückt, das ich dann zuhause in ein Regal stellte. Eines Nachts wollte ich etwas lesen, und das einzige Buch aus meinem Regal, das ich noch nicht gelesen hatte, war eben dieses Buch aus Georgien.

Ich habe es genommen und es war das Neue Testament auf Persisch. Ich habe also angefangen zu lesen. Es war interessant, aber nichts Besonderes, bis ich zum Vater unser gekommen bin. Da musste ich stocken: Was lese ich da gerade? Dieses Gebet war ganz anders, als was ich als Religion oder als Gebet bis dahin im Iran erfahren habe. Hier stand: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben. So etwas gibt es im Islam nicht. Bis jetzt dachte ich, wenn jemand schuldig ist, dann bleibt er für immer schuldig. Dieses Gebet ist dann für mich immer wieder aufgetaucht. Schließlich bin ich für mein Studium nach Österreich ausgewandert und habe hier mit der Taufvorbereitung begonnen.

Was mich fasziniert und berührt, ist diese Liebe unter Christen. Alle sind eine große Familie. Im Christentum ist Gott dein Vater. Gott kennt jeden Einzelnen mit Namen. Diese Beziehung ist krass. Damals im Iran habe ich gebetet, aber nicht so tief wie hier. Das ist unglaublich. Ich kann mich so gut an meine Taufe erinnern. Ich habe mich davor immer gefragt: Wer bin ich? In der Taufe hat Gott mir geantwortet: Du bist mein geliebter Sohn. Das Christentum hat meinem Leben ein Ziel gegeben, und zwar, vor Gott zu leben und heilig zu werden. Das Christentum ist für mich der einzige vernünftige Weg in dieser Welt.

Lukas, Irak

Ich bin Lukas aus dem Irak, ich bin vor 5 Jahren nach Österreich gekommen und wohne nun in Wien.

Als ich im Irak war, war ich natürlich Muslim wie meine Familie. Von den Christen dachte ich, dass ihr Glaube falsch ist, obwohl ich nichts über sie wusste. Es galt auch als unrein, mit ihnen Zeit zu verbringen. Später lebte ich eher atheistisch, aber in Österreich habe ich angefangen, mich für das Christentum zu interessieren. Ich habe in meinem Herzen eine Sehnsucht gespürt, auf die ich dann mit meinem Verstand im Christentum eine Antwort gefunden habe.

Im Irak wäre das eine unmögliche Sache gewesen, als Muslim Christ zu werden. Erst hier in Österreich habe ich mich frei gefühlt und angefangen, die Bibel zu lesen. Bis zu meiner Taufe hat es dann noch ganze drei Jahre gedauert. Ich hatte viele Fragen. Zu meiner Familie habe ich leider nur noch sehr wenig Kontakt. Sie wissen auch nicht, dass ich Christ geworden bin. Das ist sehr schwer für mich. Es ist auch unmöglich für mich, in den Irak zurückzukehren. Dann musst du mit dem Tod rechnen. Es ist das schlimmste Vergehen im Islam. Im Koran, dem heiligen Buch der Muslime, müssen die Leute, die den Islam verlassen, getötet werden, das ist das islamische Recht.

Selbst in Österreich war es nicht einfach für mich zu konvertieren. Am Anfang habe ich in einem Flüchtlingscamp gewohnt und als die anderen Muslime dort gemerkt haben, dass ich in die Kirche gehe und angefangen habe, mehr über das Christentum zu reden, waren sie sehr kritisch und haben mich überhaupt nicht verstehen können. Aber wenn es die Wahrheit ist, musste ich darüber reden. Wir sollen über Jesus und seine Worte reden.

Viele orientalische Christen erleiden Ungerechtigkeiten, um Jesus nachzufolgen. Das sind starke Leute, sie haben eine Überzeugung und bleiben dieser treu. Hier, wo man nicht diskriminiert wird, gibt es sehr viele „weiche Christen“. Man nennt sich so, aber geht nicht in die Kirche, glaubt auch nicht wirklich und kennt auch nicht die Bibel.

Was mein Leben aber wirklich verändert hat, seit ich Christ geworden bin, ist meine Sicht auf die Menschen. Mit Jesus ist auch die Liebe zu meinen Mitmenschen in mein Leben gekommen. Ich koche regelmäßig in einer Suppenküche, aber auch in meinem Alltag, also in meinem Beruf als Frisör, hat es sich verändert, wie ich die Menschen sehe, die als Kunden zu mir kommen. Ich spreche mit ihnen und das ist wirklich schön.