„Ich wollte mich nicht verstellen müssen.“ – Tim Kühnel

Der Gewinner der Reality Show im YOU! Magazin Interview. Über Ehrlichkeit. Und warum er dabei war.
Interview Debbie Werner

Eine ausgewählte Gruppe junger Leute lebt zusammen in einer Villa auf Mallorca. Das Ziel, sich kennenzulernen und Liebespaare zu bilden. Das war „Love Island“. Flirten im Reality TV-Show Format. Und das Paar, das am Ende der Show die meisten Zuschauer von der Echtheit ihrer Liebe überzeugt hatte, gewann. Nicht unbedingt die besonders christliche Show, die wir im YOU! Magazin vorstellen würden. Aber wir staunten nicht schlecht, als gerade ein bekennender Christ die letzte Staffel gewann: Tim Kühnel. Und so haben wir Tim vors Mikrofon gebeten und ihn zu seiner Zeit bei Love Island und zu seinem Leben als Christ befragt.

YOU!: Hey Tim! Erzähl uns von dir. Wer bist du? Woher kommst du?

Ich bin Tim, bin 24 Jahre alt, wohne in der Nähe von Stuttgart und studiere Wirtschaftspsychologie im Master.

YOU!: Diese Frage wurde dir sicher schon öfters gestellt. Wieso hast du dich als überzeugter Christ bei Love Island angemeldet? Mit welcher Haltung bist du hineingegangen?

Tim: Ich habe natürlich mit der Entscheidung mitzumachen gerungen und mich gefragt, ob ich das mit mir vereinbaren kann. Aber die Umstände sind einfach perfekt zusammengefallen. Meine Freunde haben mich anfangs nur zum Spaß ermutigt, mich beim Casting für Love Island zu bewerben. Dann habe ich es wirklich versucht und wurde aufgenommen. Aufgrund meiner Bachelorarbeit, die zeitlich dazwischen kam, musste ich dann doch absagen. Ich hätte danach ein Stipendium für ein Studium in den USA bekommen, das dann leider wegen Corona gecancelt wurde. In dieser Zeit habe ich dann nochmal einen Anruf von RTL bekommen, ob ich nicht in der jetzigen Staffel mitmachen will. Das hat sich dann von der Zeit perfekt ergeben, weil ich wegen der Absage vom Studium nichts zu tun hatte. Ich habe auch darüber gebetet und mit meinen engsten Freunden und meiner Familie darüber gesprochen. Dann habe ich entschieden teilzunehmen unter der Vorrausetzung für mich, dass ich mich nicht verstellen muss. Ich habe es auch als Chance gesehen, den Glauben zu verbreiten.

YOU!: Wie war das dann in der Umsetzung? Gab es Situationen oder Aufgaben, die unangenehm oder für dich nicht in Ordnung waren?

Tim: Es gab schon unangenehme Situationen. Zum Beispiel an meinem ersten Tag wurde ich bei einer Challenge gleich von zwei Mädchen geküsst. Das war schon etwas komisch. Und dann gab es Situationen bei sogenannten „Einzeldates“, wo zehn Leute um dich herumstehen und alles ganz genau filmten. Da ist es natürlich schwierig, man selbst zu sein, und man fühlt sich unter Druck gesetzt, über bestimmte Themen zu reden.

YOU!: Wie fühlt es sich an, ständig gefilmt zu werden und der Öffentlichkeit die innersten Gedanken über Gefühle und Liebe zu präsentieren?

Tim: Am Anfang muss man sich natürlich erst daran gewöhnen, es gibt so viele neue Dinge, die auf einen einwirken. Aber ich persönlich habe die Kameras irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen. Man weiß selbst auch nie, was im Fernsehen gezeigt wird und was nicht. Ich dachte mir dann einfach, wenn sie es zeigen, dann sollen sie es zeigen. Ich wollte mich nicht verstellen und habe einfach ganz offen auch über sensible Themen oder meine Gefühle gesprochen. Man sagt ja oft, vor allem als Mann, dass Gefühle zu zeigen, eine Schwäche ist. Das finde ich überhaupt nicht.

YOU!: Was hast du bei Love Island gelernt? Über dich, über die Liebe, über Beziehungen?

Tim: Ich bin ja später dazugekommen und ich hab überlegt, ob ich einfach die Person nehmen soll, die noch frei ist, um mit jedem cool zu sein, oder nehm ich die, die mir am besten gefällt, auch wenn du dann mit einem Typen vielleicht Stress hast. Ich wollte aber nur das machen, was ehrlich ist. Und nicht irgendwie das, was gut ankommt. Oder was man sehen will. Das habe ich dann auch gemacht und Melina gewählt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon ein „Couple“ hatte. Es ist eine Sache, die ich nach Hause mitnehme: Lieber einmal ehrlicher zu sein, als jemandem etwas vorzuspielen. Bei anderen hat man das vielleicht auch gesehen, wenn sie nicht straight raussagen wollten, was sie wirklich fühlen. Im Nachhinein holt einen das immer ein. Dann habe ich auch gemerkt, dass es mir besser geht, wenn ich mich um die anderen sorge, für die anderen da bin. Und ich hab versucht, mich nicht nur so vom Äußerlichen leiten zu lassen, sondern einfach die Personen kennen zu lernen. Auch wenn ich der Meinung bin, dass das Aussehen immer eine wichtige Rolle spielt.

YOU!: Konntest du über deinen Glauben sprechen oder wurdest du darauf angesprochen?

Tim: Ja, mit einzelnen Jungs konnte ich drüber sprechen. Ich wurde auch immer wieder auf meine Tattoos angesprochen, die alle mit meinem Glauben im Zusammenhang stehen und habe dann gerne darüber geredet.

YOU!: Wie hast du eigentlich zum Glauben gefunden? Wie lebst du deine Beziehung zu Gott im Alltag aus?

Tim: Ich bin ganz normal christlich aufgewachsen. Meine Mutter ist gläubig, aber wir waren nicht regelmäßig in der Kirche. Bei mir persönlich kam der Schritt zum Glauben hin durch die Konfirmation (Tim ist evangelisch, Anmerkung), als ich mich mit den großen Fragen des Lebens tiefer beschäftigt habe. Dann gab´s diesen besonderen Moment bei der Konfirmation als ich gekniet bin, den ich nie vergessen werde. Für mich ist man aber nicht gläubig, nur weil man in die Kirche geht, sondern man geht in die Kirche, weil man gläubig ist. Die persönliche Beziehung zu Gott ist primär. Für mich sind vor allem die Zeiten morgens und abends in Stille essentiell, um im Gebet ganz bei Gott zu sein.

YOU!: Du sprichst auf Social Media ja immer wieder über deinen Glauben. Warum? Was sind die Rückmeldungen?

Tim: Für mich ist es wichtig, meine Reichweite über die Social Media sinnvoll einzusetzen und als Sprachrohr zu verwenden. Ich habe bemerkt, dass meine Follower am meisten daran interessiert sind, wer ich bin und was ich so im Alltag mache, und da gehört natürlich mein Glaube dazu. Ich bekomme viel positive Rückmeldungen zu solchen Posts, was sehr schön ist. Ich möchte dieses Medium nutzen, um die Botschaft von Jesus zu verbreiten, ohne sie den Leuten aufzwingen zu wollen. Wenn ich dadurch nur eine Person dazu bewegen kann, sich mehr mit dem Glauben auseinanderzusetzen, dann hat sich das Ganze für mich schon gelohnt.

YOU!: Wie würdest du junge Christen ermutigen, offen mit ihrem Glauben umzugehen und darüber zu sprechen?

Tim: Man möchte und sollte sich als Christ auf keinen Fall von der Außenwelt isolieren. Ich finde, man kann seinen Glauben nicht einfach so „für sich selbst leben“, sondern man sollte das in die Welt hinaustragen und dort auf die Leute zugehen, jeder auf seine Art. Dabei muss man einen gesunden Mittelweg finden, bei dem man sich mit der Welt auseinandersetzt, ohne weltliche Dinge zu nahe an sich ranzulassen, und sich auf das besinnt, was wirklich wichtig ist.

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