Theologie des Leibes Teil 12, Ende der Serie | Text Jenny & Joe

Viele Menschen tun sich heute schwer mit der Haltung der Kirche zu Sex vor der Ehe, Selbstbefriedigung oder Homosexualität. Sie meinen, die Kirche müsste ihre Einstellung ändern und doch mehr mit der Zeit gehen. Und trotzdem bleibt die Kirche bei ihrer Meinung, dass Sex nur in die Ehe gehört. In dieser Artikelserie über die „Theologie des Leibes“ haben wir versucht, herauszufinden warum. Zum Abschluss wollen wir nun noch ein paar grundlegende Gedanken ergänzen, die wir in einem Text gefunden haben, an dem Johannes Paul II vor seiner Papstwahl mitgewirkt hat. Er trägt den Titel „Krakauer Memorandum“ und war so etwas wie eine Grundlage zur späteren Theologie des Leibes.

 

#1 Die Kirche ist FÜR Sex!

In der ganzen Diskussion müssen wir uns immer bewusst sein: Die Kirche ist nicht gegen Sex sondern für Sex – aber so, dass es uns glücklicher und menschlicher macht. Denn eines ist klar: Sex kann auch unmenschlicher machen, angefangen von Pornografie, bis hin zu Vergewaltigung und Missbrauch. Gerade die Kirche hat das leider auch erfahren müssen. Die Frage ist also: Gibt es eine Art und Weise, wie Sex gelebt werden muss, damit es „richtig“ bzw. „gut“ ist? Das ist eine Frage, die sich letztlich jeder Mensch stellen muss. Es gibt definitiv Art und Weisen, wie Sex falsch und missbräuchlich gelebt werden kann. Daher müssen wir uns die Frage stellen, was richtig ist. Denn wenn wir etwas richtig machen, das heißt, wenn wir etwas so verwenden, wie es sein soll, dann handeln wir menschlicher, dann werden wir „mehr Mensch“. Und das ist das, was uns mehr erfüllt, uns selbst mehr verwirklicht, uns mehr glücklich macht.

#2 Richtig oder falsch

Wer entscheidet, was richtig und falsch ist? Übrigens, es sind nur wir Menschen, die sich bewusst sind, dass es so etwas wie richtig und falsch überhaupt gibt. Tiere haben dieses Bewusstsein nicht. Und es ist genau diese Fähigkeit, zwischen richtig und falsch frei zu entscheiden, die uns menschlich macht. Das macht uns zu einer Person, zu einem Jemand. Wir haben ein Bewusstsein von den Dingen und die innere Freiheit, uns für das Richtige oder Falsche zu entscheiden. Wer sagt nun aber, was richtig oder falsch ist? Das sagt niemand, aber richtig ist dann etwas, wenn es mit der Wirklichkeit übereinstimmt, wenn es die Wahrheit über eine Sache ausdrückt, so wie sie ist.

#3 Die Wahrheit über die Dinge

Die Wahrheit über einen Tisch zum Beispiel ist, dass du darauf etwas machen und gleichzeitig dabei sitzen kannst. Das ist das, was einen Tisch ausmacht. Sein Sinn, sozusagen. Wenn du aber auf dem Tisch sitzt, ist das eigentlich nicht die Wahrheit über den Tisch, und wenn du Pech hast, kracht er auch zusammen. Bei Dingen ist das im Prinzip auch kein Problem und man darf sie benutzen, wie man will. Bei Menschen ist das etwas anderes. Weil ein Mensch ein Jemand ist, eine Person, ist er immer so zu behandeln, wie es wahrhaft menschlich ist. Zum Beispiel das Essen. Was ist die Wahrheit über das Essen? Essen hat den Sinn, uns zu ernähren. Und wenn du diese Wahrheit über das Essen absichtlich verneinst, dann wird es „unmenschlich“. Natürlich stiftet essen auch Gemeinschaft oder wir genießen es einfach nur, auch wenn wir keinen Hunger haben. Aber wenn jemand nur isst, um es anschließend wieder auszukotzen, dann ist das ein Problem. Und viele leiden heute unter diesem Problem. Genauso ist es bei allen anderen Dingen, wenn wir fragen, was richtig ist.

#4 Was ist die Wahrheit über Sex?

Bevor die Kirche in die Bibel schaut, versucht sie hier eigentlich auf die Natur zu schauen, weil die Natur letztlich das ist, was Gott gemacht und geordnet hat. Es sind zwei Wahrheiten, die jeder bei Sex ganz objektiv aus der Biologie erkennen kann: Erstens, es ist eine Vereinigung zwischen Mann und Frau, und zweitens, es dient der Fortpflanzung. Also, Liebe und Fruchtbarkeit. Natürlich kommen noch weitere Dinge dazu, wie das Genießen, die Lust oder das Wachsen in der eigenen Identität. Aber das sind vielmehr positive Nebenwirkungen, die den grundlegenden Sinn von Sex nicht ersetzen können. Die Kirche ist heute fast die einzige Institution, die darauf hinweist, dass wir der Sexualität Gewalt antun, wenn wir eine dieser beiden Dimensionen – Liebe und Fruchtbarkeit – bewusst und aktiv von Sex trennen. Dann wird Sex mehr oder weniger „unmenschlich“, weil wir hinter unserem Menschsein zurückbleiben.

#5 Menschlich handeln

Die Kirche sieht das deswegen so wichtig, weil Sex zu unserer ganzen Person gehört. Es betrifft die Ganzheit unserer Person, also unsere Einheit von Leib und Seele. Sex ist zwar etwas Biologisches, aber gerade weil unser Leib genauso zu uns als Person gehört wie die Seele, betrifft Sex uns als ganze Person. Die Frage ist letztlich, wie wir den Menschen sehen und was der Mensch ist, was wirklich „menschlich“ ist. So sagt die Kirche: „Die Würde des Menschen verlangt daher, dass er in bewusster und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußeren Zwang“ (2. Vatikanisches Konzil). Die allgemeine Meinung sieht Sex heute oft nur als Trieb, den wir befriedigen müssen, also dass man sozusagen „gar nicht anders kann“. Wenn wir Sex aber nur so sehen, dann ist das weder bewusst noch frei. Die Antwort unseres katholischen Glaubens ist jedoch, dass es möglich ist, die innere Harmonie zwischen Trieb und Liebe mit Hilfe der Gnade wiederherzustellen.

#6 Liebe und Fruchtbarkeit

Die ganze Idee, die hinter der Lehre der Kirche zu Sexualität steht, ist also die, dass Sex nie von den beiden Dimensionen Liebe und Fruchtbarkeit getrennt werden kann, ohne dass es uns schadet. Fehlt die Liebe, dann wissen wir, wie sehr Sex verletzen kann. Fehlt die Dimension der Fruchtbarkeit, weil man etwa mit Verhütungsmitteln absichtlich Nein dazu sagt, dann wird Sex zum Egoismus und wir behandeln uns selbst und auch den Partner nicht mehr wie eine Person sondern wir eine Sache. Das ist der Grund, warum die Kirche davon überzeugt ist, dass Sex nur in die Ehe gehört, denn nur hier sind beide Dimensionen erfüllt: die gegenseitige Liebe und die Offenheit zur Fruchtbarkeit. Sex drückt eigentlich das aus, was Ehe ist: „Ich will dich lieben, achten und ehren bis zum Tod und wir wollen die Kinder annehmen, die Gott uns schenkt.“ So versprechen es sich die beiden Brautleute vorm Altar. Sex ist genau dieses Versprechen. Wir sagen letztlich mit unserem Leib: „Ich heirate dich!“ Das ist der Sinn von Sex. Das ist das, was wir aus der Natur herauslesen können, und das ist der Punkt, den die Kirche sagen will. Vielleicht gibt es viele andere Konzepte über das Menschsein auf dieser Welt und vielleicht ist die Sichtweise der Kirche herausfordernder als andere. Aber es geht darum, das Richtige zu finden.

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