Der Begriff „sexueller Konsens“ ist mittlerweile ein weit verbreitetes Konzept, welches besagt, dass beide Seiten sind sich einig sein müssen, was sexuelle Handlungen betrifft, also etwa berühren, küssen oder speziell auch Geschlechtsverkehr. Das Prinzip ist leicht: „Nein, heißt nein“, ob verbal oder non-verbal. Klingt logisch. Ist aber in vielen Situationen oft gar nicht so selbstverständlich. Wir fragen uns, ob Konsens allein wirklich genug ist.

Text Tanja Prattes

  1. Das Problem

Seit der Erfindung der Verhütungsmittel gilt heute die Grundannahme: „Sex ist auch außerhalb einer emotionalen Intimität und dauerhaften Beziehungen möglich.“ Trotzdem fühlen sich viele im Nachhinein benutzt. Konsens soll die Lösung sein. Der Gedanke dabei: Haben beide ihr Einverständnis gegeben, ist alles erlaubt. Wann man will und mit wem man will, ohne Konsequenzen. So läuft es aber nicht. Sex hat große Macht und darauf folgt große Verantwortung. Die Praxis zeigt, dass das Konzept ziemliche Lücken hat. Denn wann ist Konsens? Ein Nicken, ein Lächeln oder eine Unterschrift auf einem Vertrag?

  1. Grauzonen

Konsens lässt sich nicht so einfach festmachen. Beispielsweise beeinträchtigt Alkohol die Entscheidungsfähigkeit. Daher dürften Betrunkene gesetzlich gar keinen Konsens geben, aber wie oft ist gerade in ungewollten Situationen Alkohol im Spiel, wo man nüchtern nie Ja gesagt hätte? Funktioniert das in der Praxis? Und ab welchem Alter darf man reif überlegt Konsens geben? Decken sich die Antworten mit denen des Gesetzes über Promille und Minderjährige?

  1. Wo bleibt die Romantik?

Nach diesem Prinzip muss jede Art der Annäherung beim anderen verbal abgeklärt werden. „Ist es ok, wenn ich deine Hand nehme…?“ In manchen Situationen kann das ganz süß wirken, doch Romantik lebt vom Lesen zwischen den Zeilen. Der Rahmen muss abgesteckt werden, das stimmt. Doch ist man sich tatsächlich des Kleingedruckten bewusst? Jede sexuelle Handlung hinterlässt größere oder kleinere Spuren. Du bindest dich emotional an eine andere Person. Schläfst du mit ihr, schaffst du sogar den Raum, ein Kind zu zeugen. Könntest du es aufziehen? Würdest du das mit dieser Person wollen? Oft denkt man an solche Fragen ja erst, wenn man heiratet.

  1. Konsens ist noch kein Wert

Um zu etwas „Ja“ oder „Nein“ sagen zu können, muss man zuerst sich selbst und seine Werte kennen. Nach welchen Werten soll man handeln, um eine gute Entscheidung zu treffen? Diese Frage kann Konsens nicht beantworten. Manchmal bin ich mir selbst nicht sicher, oder wie oft tu ich etwas, was ich eigentlich gar nicht will. Wenn ich eine Tat im Nachhinein bereue, ist das nicht unbedingt ein Anzeichen, dass es nicht ganz freiwillig war. Vielleicht bereue ich es, weil ich einfach eine falsche Entscheidung getroffen habe?

  1. Mut zum „Nein“ oder auch „Das Hollywood-Prinzip“

„Nein“ sagen bedeutet nicht automatisch, prüde zu sein. Hollywood hat das bereits erkannt. Der beliebte, reiche und schöne Typ, der jede haben kann, möchte genau sie. Das Problem: Sie sagt „Nein“. Die Romanze nimmt ihren Lauf, bis er schlussendlich sein Player-Leben für sie aufgibt. Was sagt das aus? Um wirklich gute Entscheidungen zu treffen, ist es wichtig, seinen eigenen Wert zu kennen. Das bedeutet auch, „Nein“ zu Dingen zu sagen, die meinem Wert nicht entsprechen. Noch wichtiger als Nein-Sagen zu lernen ist es, es auch zu tun.